Nach zwei Tagen krankheitsbedingter Pause melde ich mich wieder zurück.

Gestern habe ich bis auf einen Gang zur Apotheke keinen Fuß vor die Tür gesetzt. Vorgestern waren wir unvorsichtig und aßen rohen Salat. Das war ein großer Fehler. Ich kann mich echt nicht erinnern, dass es mir schon mal so schlecht ging.

Jetzt ist es hier 07:00 Uhr und die Antibiotika zeigen Wirkung. Nun habe ich wieder genug Energie, meinen Blog zu schreiben.

Vorgestern war ein ganz besonderer Tag. Unser Ziel war die Kedara-Ghat. Unser Rikschafahrer hatte uns dann aber an der Harishchandra-Ghat abgesetzt. Sicher auch deswegen, weil man durch die engen Gassen an der Kedara-Ghat nicht mit der Rikscha durch kommt.

Eigentlich wollten wir einen Besuch der Harishchandra-Ghat vermeiden, weil hier eine der Verbrenungsstätten für die Toten ist und wir nicht sicher waren, ob wir so etwas mental verkraften würden. Aber es sollte wohl so sein.

Gleich zu Beginn wurden wir von einem Affen begrüßt.

Ein paar Schritte weiter bot sich dann ein weiterer vielversprechender Anblick.

Bald schon wurden wir angesprochen, um einen kleinen Tempel mit dem heiligen Feuer, mit dem das Totenbett zur Verbrennung angezündet wird, zu besichtigen.

Unsere Spende von 50 Rupien hatte dann auch gleich zur Folge, dass wir eine Segnung in Form eines dicken roten Strichs auf der Stirn hatten. Das zugehörige Pulver ist rechts unten zu sehen.

In einem Hinterhof lagerten Berge von Holz, die für die Verbrennung der Toten genutzt werden. Für jedes Totenbett werden zirka 300 kg Holz benötigt. Pro Monat werden an dieser Verbrennungsstätte vierzig bis fünfzig Verbrennungen vorgenommen.

Arbeiter schleppen das Holz die vielen Treppen das Ghat hinunter bis an den Ganges.

Es dauerte nicht lange, bis uns der Inhaber der Verbrennungsstätte entdeckte und uns einlud, einer Verbrennung beizuwohnen. Ganz wohl war uns dabei nicht. Zum Einen hatten wir das Gefühl, dass wir als Europäer hier nicht hingehörten und zum Anderen war es ein sehr merkwürdiges Gefühl, so direkt mit dem Tod konfrontiert zu werden. Außerdem wussten wir nicht, welche Anblicke uns erwarten würden. Wir brachten unsere Bedenken zum Ausdruck, aber der Inhaber der Verbrennungsstätte ließ sich nicht von seinem Vorhaben abbringen. Schon gar nicht, als er erfuhr, dass ich als Fotograf tätig bin. Mehrfach sagte er, dass es ihm ein Anliegen wäre, diesen Teil der hinduistischen Kultur öffentlich zu machen. Normalerweise sind Fotos bei einer hinduistischen Totenfeier streng verboten. Umso mehr an einem so heiligen Ort wie in Varanasi am Ganges.

Wie läuft nun eine hinduistische Totenfeier in Varanasi ab? Es beginnt damit, dass der Tote in bunte Tücher gehüllt auf einer Bambus-Bahre die Ghat hinunter an den Fluss getragen wird. Es sind nur Männer aus der Familie anwesend. Es gibt hier auch keine Priester. Frauen trauern separat.

Der Tote wird im heiligen Wasser des Ganges gewaschen und in ein weißes Leinentuch gewickelt. Dann wird er auf das Totenbett aus Holz gelegt und weiteres Holz wird über dem Toten aufgeschichtet.

Ein Familienmitglied holt aus dem Tempel mit dem heiligen Feuer ein Bündel brennendes Stroh und geht damit fünf mal um das Totenbett herum und zündet es dabei an. Die Zahl fünf steht dabei symbolisch für die fünf Elemente: Feuer, Wasser, Erde, Luft und Äther.

Wenn der Tote fast verbrannt ist, werden seine letzten Überreste in den Ganges geworfen, damit der auch körperlich mit dem Göttlichen verbunden wird. Die Bilder davon will ich lieber nicht veröffentlichen, weil das für europäische Gemüter, dann doch etwas zu hart wäre.

Das Feuer wird dann mit dem Wasser des Ganges gelöscht.

Zum Abschluss der Totenfeier wird der Krug mit dem Wasser des Ganges nach hinten über die Schulter geworfen.

Während der Trauerzeremonie erfuhren wir dann noch einige sehr interessante Dinge. So werden Frauen an anderen Plätzen als Männer verbrannt. Menschen, die in ihrem Leben viel Böses getan haben, sind nur ganz schwer zu verbrennen. Manche Menschen werden auch nicht verbrannt, sondern im Ganges versenkt: Kinder unter 10 Jahren, Heilige, Menschen,  Leprakranke und Tiere. Menschen, die von einer Schlange gebissen wurden, werden auf einen halbierten Bananenstamm gebunden und den Ganges hinabgeschickt.

Den Toten wird auch ihr Schmuck bei der Verbrennung nicht abgenommen. Dieser geht automatisch in das Eigentum des Inhabers der Verbrennungsstätte über. Eine Verbrennung in Varanasi kostet 10.000 Rupien.

Irgendwie war ich dann doch ganz erleichtert, als wir diesen Platz verlassen haben, um in die Seidenwebereien gleich nebenan geführt zu werden. Es ging durch dunkle Gassen. Überall war das Klappern der Webstühle zu hören.

Natürlich ging es bei der ganzen Führung wieder ums Geld. Umgehend wurden wir in einen Verkaufsraum geführt, um Unmengen von Tüchern aus Seide, Paschmina und Wolle vorgeführt zu bekommen. Der Verkäufer konnte sogar etwas Deutsch und war der geborene Salesman.

Das hatte natürlich zur Folge, dass wir nach einigen harten Verhandlungen doch etwas gekauft haben. Aber nicht ohne vorher zu fragen, ob da Kinderarbeit drin steckt. Natürlich ist das verneint worden. Kontrollieren konnten wir das nicht.

Am Abend gab es dann noch mal eine Feuer-Puja am Dashashwamed-Ghat. Massen von Menschen drängten sich schon zusammen, um die Zeremonie zu erleben.

Dieses Mal hatte ich auch mein Tele dabei und so gelangen noch einmal ein paar sehr schöne Aufnahmen.

Der Rückweg in unsere Unterkunft war dann der blanke Horror. Beide spürten wir deutlich, dass bei uns gesundheitlich etwas nicht stimmte. Durch enge Gassen, die auch noch von Motorrädern bevölkert waren, suchten wir einen Weg ins Freie. Als wir es endlich geschafft hatten, standen wir vor einer riesigen Menschenmenge die einen unsäglichen Lärm verursachte. Irgendwie haben wir dann eine Rikscha gefunden, die uns in unsere Unterkunft gebracht hat. Später erfuhren wir, dass an diesem Abend die Holi-Woche eingeläutet wurde und ganz Varanasi auf den Beinen war.

 
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