Gestern hatte ich mir vorgenommen, meine Abschlussarbeit für mein Fotografiestudium an der S.E.T. weiter vorzubereiten. Utensilien waren einzukaufen, die Location für das Shooting auszuwählen und ich brauchte noch zwei Modelle. Aber wie das in Indien so ist, kommt alles anders, als man denkt.

Der Weg in die Stadt über das ausgetrocknete Flussbett des Falgo River begann ganz unspektakulär. Wie immer war das hektische Leben hier wieder voll im Gange. Dinge wurden aus der Stadt in das Dorf transportiert,

im Fluss wurde die Wäsche getrocknet…

…und an den Marktständen gab es schon lebende Hühner für das kommende Holi-Fest zu kaufen.

Gleich nebenan durchwühlte eine junge Kuh den Müll nach etwas Fressbarem.

Auf dem Weg zum Markt traf ich noch Laxman, einen unserer Schauspieler, der jetzt auch einen kleinen Gemüsestand an der Straße hat.

Bis dahin war eigentlich alles ganz entspannt, bis ich das altbekannte „Where you are from?“ hörte, was hier überlicherweise zur Kontaktaufnahme mit wildfremden Menschen genutzt wird. Dieses Mal war es ein indischer buddhistischer Mönch, der mich ansprach.

Ich hatte keinen Zeitdruck und habe mich deswegen gerne auf ein Gespräch mit ihm eingelassen. Daraus wurde eine buddhistische Unterweisung und ein gemeinsames Frühstück. Am Ende konnte ich ihn noch als Model für das Shooting meiner Abschlussarbeit gewinnen.

Auf dem Weg zurück zum Sachi Home, unserem Hotel, wurde ich dann noch einmal von einem Teenager angesprochen. Wir kamen ins Gespräch und er erzählte mir ganz stolz von seiner Schule in der er seit einem Jahr lebt und lernt. Er wollte mir unbedingt seine Schule zeigen und da ich noch Zeit hatte, stieg ich mit auf sein Motorrad. Natürlich ging es darum, Spenden für diese Schule zu sammeln. Trotzdem war es wieder ein sehr interessanter Einblick in das indische Schulwesen und ich konnte auch etwas fotografieren. Übrigens wird in den indischen Schulen Religion und Schule streng getrennt, was ich für eine sehr gute Idee halte. Hier ist ein Klassenzimmer zu sehen. Während des Unterrichts sitzen die Kinder auf diesen Pritschen und Nachts dienen sie als Bett. Diese Schule lebt nur von Spendengeldern und betreut Kinder, deren Eltern zu arm sind, sich um ihre Kinder zu kümmern.

Nach diesem Abstecher stand endlich die Erkundung der Location für mein Fotoshooting auf dem Programm. Ich stelle mir einen verfallenen Hindutempel dafür vor und wurde auch bald fündig.

Gleich nebenan wurde ein kleiner Shiva-Tempel für das Fest Shivavatri vorbereitet. Dies ist einer der höchsten hinduistischen Feiertage, an dem sich besonders Frauen Segen für ihre Ehemänner erbitten.

Schnell war der Entschluss gefasst, dieses Fest zu fotografieren. Also ging ich am späten Nachmittag wieder zum Tempel, in der Hoffnung, möglichst nah an das Geschehen ran zu kommen, um viele schöne Bilder machen zu können. Die unzähligen Kinder dort entdecken meine große Kamera als erstes und alle wollten sofort fotografiert werden.

Die Frauen zelebrierten vor und um den Tempel herum in ihren schönsten Saris immer wieder andere hinduistische Riten und wurden von der Dorfältesten gesegnet. Der grüne Streifen auf der Stirn ist das Zeichen dafür. Auch ich bekam diesen Segen, was eine große Ehre für mich bedeutete.

Während die Frauen ausgiebig feierten, standen die Männer eher abseits und hatten wenig zu tun. Das war wohl auch der Auslöser dafür, dass mich einer der Männer zu sich nach Hause auf einen“Sky Drink“ einlud. Auch auf mehrmaliges Nachfragen wollte er mir nicht sagen, worum es sich dabei handelt. Nach einer Führung durch sein wirklich armseliges Haus machten wir uns auf den Weg durch das Dorf und ich konnte einige Eindrücke vom Leben der Bauern hier sammeln.

Der Weg zu einer finsteren Hinterhofkneipe führte durch Kuhdung, Gülle und enge Gassen. Einige Männer hockten schweigend auf einer Mauer.

Mein Gastgeber schenkte mir eine wässrig milchige Flüssigkeit in ein provisorisch ausgespültes Glas. Es schmeckte leicht säuerlich, fast wie Molke und hatte eine leicht berauschende Wirkung. Später habe ich dann erfahren, dass es sich dabei um vergorene Blätter einer speziellen Palme gehandelt hat.

Bald musste ich gehen, weil wir noch bei einem zweiten Shivavatri-Fest bei Om Baba, einem Baba in einem Nachbardorf eingeladen waren.

Auch hier feierten die Frauen des Dorfes ausgiebig. Immer wieder wurden hinduistische Gesänge angestimmt.

Während dessen saßen wir mit Om Baba am Feuer, eine „heilige Pfeife“ machte die Runde und Bang Lassi, ein leicht berauschendes Getränk, wurde ausgeschenkt.

Om Baba hat uns dann noch einiges über Shivavatri aus seiner Sicht erzählt. Demnach wird die Vereinigung von Shiva mit seiner weiblichen Seite, Kali, gefeiert. Auf die hiesige Welt übertragen bedeutet dies für die Hindus, dass bei der Vereinigung von Mann und Frau jeder im Anderen das Göttliche sieht und die Vereinigung von Mann und Frau in der höchsten Göttlichkeit mündet.

Ich werde wohl noch einige Tage brauchen, um alles zu verarbeiten, was ich gestern gesehen und erlebt habe. Indien ist immer für Überraschungen gut und an jeder Ecke gibt es etwas zu entdecken, wenn man sich auf das Leben und die Menschen hier einlässt.


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